Paraschat “BEHAʻALOTCHA“
Belebende Parascha
Thora-Deutungen des Lubawitscher Rebben für die Gegenwart
von Rabbiner Benjamin Sufiev
Band II
ERLANGEN DER PROPHETIE
Mirijam erfuhr von Mosches Frau, Zippora, dass er sie verlassen hatte. Sie drückte Aharon
ihre Empörung darüber aus. Daraufhin steht in der Thora geschrieben: Mosche ist der
bescheidenste Mensch auf der Welt (Bamidbar 12:3).
Die Thora erzählt weiter, dass G‘tt Mirijam und Aharon zurechtwies und ihnen erklärte,
wie besonders die Prophetie Mosches war: Doch anders ist Mein Diener Mosche.
Angesicht zu Angesicht spreche Ich mit ihm (Bamidbar 12:7-8). Eben deshalb musste er
seine Frau verlassen, um ständig mit G‘tt sprechen zu können.
Daraus lernen wir, dass Mosche wegen seiner Bescheidenheit so starke prophetische
Kräfte hatte. Der Talmud führt die Bescheidenheit als eine der Eigenschaften an, die man
für das Erlangen der Prophetie haben muss (Talmud Nedarim 38a). Dort werden auch
Weisheit und Stärke erwähnt. Da aber die Thora im Bezug auf Mosches Prophetie nur die
Bescheidenheit erwähnt, können wir davon ausgehen, dass sie die wichtigste Eigenschaft
für das Erlangen der Prophetie ist.
Drei Stufen
Was bedeutet Bescheidenheit? - Nicht etwa, dass man seine Besonderheiten nicht kennt.
Der bescheidene Mensch ist sich seiner Fähigkeiten sehr wohl bewusst, schafft es aber
dennoch, bescheiden zu bleiben. Ist das an sich kein Widerspruch? Diesbezüglich werden
drei Stufen in der Bescheidenheit genannt (Sefer haMaamarim Jahrgang 5675, Seite 219):
1) Der bescheidene Mensch stellt die Überlegung an, dass seine Besonderheiten ihn nicht
zu Hochmut führen müssen, da sie nicht sein Verdienst sind, sondern ein Geschenk
G‘ttes. Und hätte G‘tt sie jemand anderem gegeben, würde dieser sie vielleicht sogar
besser nutzen als er.
Wer kann weit nach unten gehen?
2) Diese Einstellung des Bescheidenen, dass wenn jemand anderer seine Besonderheiten
bekommen hätte, sie von ihm besser ausgenützt würden, bleibt bei ihm nicht bloß eine
theoretische Überlegung und eine Möglichkeit, die Dinge so zu sehen. Denn da er
wirklich bescheiden ist, hat er überhaupt keinen Zweifel darüber, dass jemand anderer
mit seinen Besonderheiten es wirklich besser gemacht hätte!
3) Die Bescheidenheit auf der höchsten Stufe bringt den Menschen dazu, weit nach unten
zu gehen und sich sogar mit den einfachsten Menschen zu beschäftigen, von denen er
sicher weiß, dass sie ein sehr niedriges Niveau haben.
Eine solche Bescheidenheit finden wir bei G‘tt, wie der Talmud sagt: „Bei G‘ttes Größe
findest du Seine Bescheidenheit (Talmud Megilla 31a). Diese Bescheidenheit drückt sich
darin aus, dass G‘tt sich herablässt und sich demütigt, um die niedrigen Welten zu
erschaffen und über sie zu wachen.
G‘ttes Botschaften
Je nach dem Grad der Bescheidenheit ist der Grad der G‘ttesgegenwart bei dem
Menschen.
Die Bescheidenheit auf der ersten Stufe führt zur generellen G‘ttesgegenwart bei dem
Menschen. Der Mensch wird reiner in seinen Gedanken und Gefühlen und lebt spiritueller.
Ohne Bescheidenheit kann auf keinen Fall die G‘ttesgegenwart über den Menschen ruhen.
Durch die zweite Stufe der Bescheidenheit erlangt der Mensch „Ruach haKodesch“,
d.h. er empfängt Botschaften G‘ttes. Dies ist die Prophetie, von der es wiederum viele
Stufen gibt (siehe: Rambam, Hilchot Jesodej haThora, Kapitel 6). Diese Stufe der
G‘ttesgegenwart ist höher als die generelle Stufe. Deshalb bedarf sie auch einer höheren
Stufe von Bescheidenheit.
Sobald man die dritte Stufe der Bescheidenheit erreicht, ruht nicht mehr bloß die
G‘ttesgegenwart über den Menschen, sondern diese verbindet sich sogar mit ihm. Der
Mensch ist der Gegenwart G‘ttes völlig hingegeben, bis all sein Handeln den Willen G‘ttes
ausdrückt. Dies war bei Mosche der Fall, über den es heißt: „Denn die Schechina
(G‘ttesgegenwart) redet aus dem Mund von Mosche (Sohar).
(Likutej Sichot, Band 38, Seite 40)